#05: Defense is the key, Team Germany!

// Wetzlar, August-Bebel-Sporthalle & Mercure Hotel, Ostern 2013

„Defense is the key – Team Germany!” – What!? Ich blicke mich kurz um, in der Hoffnung noch weitere Fragezeichen in den Gesichtern der Anwesenden auszumachen. Okay, ich bin scheinbar der einzige im beschaulichen Besprechungsraum des Mercure Hotels in Wetzlar, der gerade etwas dümmlich aus der Wäsche schaut. Es ist mein erster Huddle mit der Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft der Herren. Für alle Tennisspieler, Golfer oder sonstigen Einzelsportler: Ein Huddle (englisch für Haufen) bezeichnet die Versammlung der Spieler, bei der Spielzüge und Strategien besprochen werden – so schreibt Wikpedia. Grundsätzlich geht es um Gemeinschaft, um Motivation, um ein Ritual, um ein „wir stehen zusammen, egal was kommt“.

Frankfurt dreht am RadPoster-Model Sebastian Wolk

Poster-Model Sebastian Wolk

Ich kenne sie bestimmt nicht alle, aber ich habe viele dieser Rituale gesehen und selber zelebriert: Hände nach oben, Hände nach unten, Fäuste gegeneinander, die Schultern des Mannschaftskollegen umfasst. Die „De-fense“, „Of-fense“ oder „Hard-Work“-Rufe dieser Bassketballwelt. Egal ob Sieg oder Niederlage, getreu Alexandre Dumas Musketiere heißt es stets, „Einer für alle und alle für Einen!“. Erfolge lassen sich eben viel besser gemeinsam feiern und Niederlagen besser verarbeiten. Ob bei Jordan, Wade & Co. oder beim Kreisligisten um die Ecke. Oder eben bei der Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft. Bedingt durch die Gegebenheiten ist es selbstverständlich ein anderer Huddle – doch die gleiche Kraft, die gleiche Intensität und das gleiche Gefühl liegt zwischen Flipboard, Laptop und Hotelatmosphäre in der Luft, als sich knapp 24 Fäuste im Kreis der Rollis berühren. Keine Ausreden. Keine Alleingänge. Auch hier geht es nur gemeinsam. Und ich bin mittendrin – Teil dieses Teams, das im Sommer nach Gold greifen will. Nur den Ruf „Defense is the key – Team Germany!”, den Kapitän Sebastian Wolk initiiert, lass ich mir in einer ruhigen Minute wohl nochmals erklären, um danach nicht völlig dämlich fragend in die Runde zu blicken. 

Übrigens: Basti Magenheim hat mir berichtet, dass gewisse Rituale in der Nationalmannschaft auch an die Gesänge der Neuseeländischen Rugby-Mannschaft erinnern, vor allem in der Kabine kurz vor dem Tip-Off. Man kennt sie von Facebook oder YouTube, die „Kriegstänze“ der harten Jungs vom anderen Ende der Welt. Ob ich das in meiner Zeit bis oder während der Europameisterschaft noch rausfinde, weiß ich nicht – was in der Kabine passiert, bleibt schließlich auch in der Kabine. Obwohl mich das Gesangstalent von Haller, Lehmann & Co. doch ernsthaft interessiere würde… 

Acht Hessen in einem schnellen und athletischen Team  

Seit Gründonnerstag liegt in Mittelhessen eine gewisse Spannung in der Luft. Bundestrainer Nicolai Zeltinger hat die Seinen zum zweiten Selection Camp gebeten. Während ganz Deutschland das Osterfest feiert, haut hier keiner auf den Buzzer und dreht seinen Stuhl, es gibt keinen Recall oder gar ein „Heidi-Klum-Foto“ samt Küsschen rechts und links. Gemeinsam mit seinen Coaches und Team-Manager Christoph Küffner legt Zeltinger den endgültigen Kader für die Eurobasketball 2013 fest. Für einige heißt es also vorerst Abschied von der Nationalmannschaft nehmen, für andere geht die Reise und damit die intensive Vorbereitung weiter. Verletzt sich keiner, wird diese Auswahl die endgültige sein, die „Schwarz-Rot-Gold“ in Frankfurt repräsentieren darf.   

Mir fällt auf, dass keiner der Jungs sich in den Vordergrund stellt, keiner nur auf sich schaut. Ähnlich wie im Huddle geht es um das „Wir-Gefühl“ – eine Eigenschaft, die der Headcoach sehr schätzt und immer wieder beschwört. Selbst am Frühstückstisch werden Witze gemacht, wer denn wann die Heimreise antreten wird. So kann sich Skywheeler Sebastian Wolk durchaus vorstellen, als reines Poster-Model und Gesicht der EM zu agieren – nicht wenige seiner Mannschaftskollegen finden diese Vorstellung recht amüsant und fordern den sympathischen Frankfurter zum professionellen Posing auf – also doch Heidi Klum, denke ich mir, schlürfe meine Kaffee und beteilige mich an den großartigen Sprüchen rund um Wolk´s zweite Karriere. 

Gegen zehn Uhr geht es dann los, die ersten Spieler werden zum Einzelgespräch gebeten. „Das ist kein einfacher Job“, sagt mir Zeltinger später. Verständlich, schließlich geht es hier nicht nur um ein Turnier, sondern um DAS Turnier des Jahres. Im eigenen Land, für viele sogar im eigenen Bundesland. Die spätere Mannschaft wird vor allem zwei wichtige Aspekte verinnerlichen: Athletik und Abgezocktheit. „Wir werden eines der schnellsten und athletischten Teams bei der Europameisterschaft haben“, prophezeit der Bundestrainer, „wir haben viele Mid-Pointer dabei. Das bedeutet, wir können mit vielen schnellen Line-Ups spielen.“ 

Acht von zwölf Spielern sind Athleten des Gastgeber-Bundeslandes Hessen.  Das Durchschnittsalter der Mannschaft liegt bei 29 Jahren, erfahrenster Rollstuhlbasketballer ist RBBL-Topscorer Dirk Passiwan (35 Jahre) aus Trier. „Kücken“ im Kader ist Talent Thomas Böhme (21 Jahre). Zum ersten Mal im Kreis der Nationalmannschaft dabei sind Marco Zwerger und Felix Schell. Der RSV Lahn-Dill, amtierender Meister, Pokal- und Championsleague-Sieger, stellt mit fünf Spielern den größten Block, gefolgt von den Mainhatten Skywheelers mit drei Akteuren. Außerdem sind Spieler der Köln 99ers, der Jena Caputs, der GOLDMANN Dolphins Trier sowie aus Briantea 84 Cantù (Italien) dabei. „Die Auswahl der Spieler spiegelt mit acht Hessen auch die Stärke der Liga wieder“, so Zeltinger weiter. 

„Wir haben ein Team gefunden, das charakterlich und menschlich super zusammen passt“, kommentiert auch Manager Christoph Küffner die Nominierung der zwölf Athleten. Und alle sind die das Team Germany. Und alle wissen, dass Defense der Key ist. Jetzt habe auch ich es endgültig verstanden. 

Mehr zum Kader und den einzelnen Athleten gibt es übrigens im nächsten Blog-Beitrag – also liebe Freunde, stay tuned, wie es Neu-Deutsch heißt. 

Der Kader der Herren 

Thomas Becker | SG Köln 99ers | Klassifizierung 4,5 | 35 Jahre
Andre Bienek | Briantea 84 Cantù | Klassifizierung 3 | 26 Jahre
Thomas Böhme | RSV Lahn-Dill |  Klassifizierung 3 | 21 Jahre
Jan Haller | RSV Lahn-Dill | Klassifizierung 2 | 24 Jahre
Matthias Heimbach | Jena Caputs | Klassifizierung 1 | 30 Jahre
Lars Lehmann | Mainhatten Skywheelers | Klassifizierung 3 | 35 Jahre
Björn Lohmann | RSV Lahn-Dill | Klassifizierung 1 | 33 Jahre
Sebastian Magenheim | Mainhatten Skywheelers | Klassifizierung 3,5 | 24 Jahre
Dirk Passiwan | Goldmann Dolphins Trier | Klassifizierung 4,5 | 36 Jahre
Felix Schell | RSV Lahn-Dill | Klassifizierung 4 | 23 Jahre
Sebastian Wolk | Mainhattan Skywheelers | Klassifizierung 4 | 32 Jahre
Marco Zwerger | RSV Lahn-Dill | Klassifizierung 2,5 | 34 Jahre

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